Covern oder Komponieren?

Ich habe mich in meinen fast 20 Berufsjahren immer als Teil einer musikalischen 2-Klassen – Gesellschaft gefühlt. Da gibt es die Musiker, die schreiben sich die Seele aus dem Leib und spielen auf Bühnen nur ihre eigenen Songs – mit Herzblut erarbeitet und von Authentizität durchtränkt. Das sind die, die von ihren Kollegen (und mir) immer als die „echten“ Künstler wahrgenommen werden. Aus meinem persönlichen Bekanntenkreis kann ich hier einige nennen, die mit ihren Liedern schon lange und erfolgreich ihr Publikum erreichen: Robert Carl Blank, Mathew James White und der unlängst endlich zu den wohlverdienten Ehren gekommene Gregor Meyle, um hier nur 3 zu nennen.

Es gibt allerdings auch die Gegenseite: Der weitaus größere Teil meiner Musikerkollegen verdient sein Geld damit, die Lieder anderer aufzuführen, in mehr oder weniger hoher Qualität. Diese Musiker werden zwar (meist) von deutlich mehr Publikum gehört, gleichzeitig aber auch von den Saitenzupfern und Tastendrückern aus der komponierenden Kaste etwas abfällig als „Covermucker“ belächelt.

 

Für den Zuhörer dürfte das keinen großen Unterschied machen, das Publikum will unterhalten werden. Ob nun von einer Top 40 – Band oder einem Songwriter, das sucht sich die Zuhörerschaft ja selbst aus. Für mich als Musiker stellt sich aber durchaus immer wieder die Frage: Soll ich nun lieber mehr Songs schreiben oder darf ich auch Coverversionen spielen? Was bedeutet es für meine Reputation (sofern vorhanden), wenn ich „Unterhaltungsmusik“ mache?

Ich komme, je länger ich diesen Beruf ausübe, einer ganz persönlichen Antwort näher. Die Frage ist viel einfacher zu beantworten, als ich dachte. Es ist ein wenig wie sich zu fragen, ob man den Rasen trimmen sollte: Es könnten die Nachbarn einen ja für unordentlich halten… am Ende geht es nur darum, ob es Dich interessiert, was die anderen denken.

Ich glaube, eine Coverversion, die meine ureigene Handschrift als Musiker trägt, ist nicht weniger wert als eine Eigenkomposition. Ein Song, mit dem ich mich identifiziere, der mich packt und mitnimmt, darf nicht aus meinem Programm verbannt werden, nur weil er nicht von mir ist. Viele Weltstars haben ihre Karriere mit 80 – 100% Coverversionen bestritten – oder ihren Ruhm und Erfolg auf den Song eines anderen Komponisten gegründet. Wenn ich mir die Sleeves meiner Elvis – Platten durchsehe, finde ich unter „Text/Musik“ nirgends den Namen „Presley“, hat der Kerl eigentlich jemals einen Song geschrieben? Oder nehmen wir Joe Cocker: Unchain my heart? Eine Nummer von Bobby Sharp. With a little help from my friends? Lennon / McCartney. Frank Sinatra? „My Way“ ist ein Text von Paul Anka, der zur Musik eines anderen Liedes kombiniert wurde. Ich glaube nicht, dass den genannten Herren jemand die Reputation absprechen wird, weil sie Covermusiker waren. Jawohl, so ist es: Elvis war ein Covermucker.

Ich denke, es geht um eine gute, persönliche Interpretation der Musik – jeder Musik. Ob eigenes oder fremdes Liedgut, Deine Interpretation zählt. Wenn man dem Internet glauben darf, hat Elvis einmal gesagt:

It ain’t a song until you sing it.

Recht hatte er! Eine Komposition erwacht erst zum Leben, wenn sie packend interpretiert wird, ob nun vom Komponisten selbst oder von anderen Musikern. Ein Songschreiber kann noch so gut komponieren – ohne den richtigen Interpreten bleiben die Lieder nur schwarze Noten auf Papier. Und dass es nicht immer gut ist, wenn der Komponist auch interpretiert, beweisen fast alle Bob Dylan – Alben.

Ich für meinen Teil habe entschieden, dass ich jeden Song spiele, der mir Freude macht. Um das zu tun, habe ich mit 14 angefangen Musik zu machen und heute möchte ich wieder zu dieser Freude am Musizieren zurück. Rasenmähen war auch noch nie meine Lieblingsbeschäftigung.

Wie seht Ihr das? Was sind Eure Lieblings – Coverversionen aus der Musikgeschichte? Oder Eure Lieblings – Originale?

4 Gedanken zu „Covern oder Komponieren?

  1. Also „Hallelujah“ von Jeff Buckley find ich eines der gelungensten Cover die ich kenne. Dagegen stinkt das Original und jede andere Version ziemlich ab. Joe Cocker ist auch ein gutes Beispiel. Und wenn Triggerfinger was covern ist das auch immer besser als im Original, nicht nur bei „I follow rivers“.

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