Man könnte nach dem Kümmert – Prinzip vorgehen: Wenn einer im Publikum zu laut lacht oder einem sonstwie auf die Nerven geht: Beleidigend werden und die Leute beschimpfen. Oder es mit Axl Rose halten: Die Leute erst beschimpfen und dann die Bühne verlassen. Beides ist oft verlockend, kann man sich aber nur leisten, wenn man Axl Rose ist, beim Kollegen Kümmert führte oben genanntes Verhalten ja nicht gerade zu großer Beliebtheit – jedenfalls was mich betrifft. Neben einigen anderen Verhaltensweisen, aber davon soll hier nicht die Rede sein… Zurück zum Thema:
Erst letzten Samstag hatte ich wieder eine interessante Begegnung mit einem „Fan“, dem es gelang, unangenehm aus der Zuschauermenge herauszustechen. Alles begann damit, dass der Herr nach jedem gespielten Stück einen lautstarken Kommentar abzugeben hatte – das ist zwar nervig, kann aber durchaus in die Show eingebunden werden, indem man als Musiker schlagfertig auf die jeweiligen Kommentare antwortet. Früher oder später wird das aber anstrengend, wenn der (meist alkoholisierte) Gast nicht begreifen will, wie sehr er/sie sich zum Affen macht.
Richtig unschön wurde es dann, als besagter Herr sich 2 Meter vor der Bühne aufstellte und ganz langsam begann, sich seiner Kleidung zu entledigen. Nach kurzer Zeit stand er mit entblößtem Oberkörper direkt vor mir und tanzte sich ins Schnapsnirwana – während die ersten Gäste irritiert das Venue verließen. Ich sollte hierzu vielleicht noch erwähnen, dass ich den Gast bereits von einem Konzert 2014 kannte, bei dem er auch (nur noch in Unterhose bekleidet) betrunken tanzte, bis er auf die Bühne stürzte und dabei Mikrofonständer und ein Lautsprecherstativ mit sich riss.
Nun stellte sich die Frage: Was tun? Ich für meinen Teil entschied mich für folgendes: Ich machte eine Pause, in der Hoffnung, dass sich der Herr wieder ankleiden und im besten Fall das Venue verlassen würde. Leider war das nicht der Fall, deshalb bat ich ihn freundlich, sich doch wenigstens wieder anzuziehen – diese Bitte beschied er allerdings abschlägig, nicht ohne mir zu drohen: „Wenn Du mir noch ein wenig blöd kommst, schlage ich hier alles kurz und klein!“
Man stelle sich also die Situation vor:
- Ein Venue, in dem die Bühne auf einer Ebene mit dem Zuschauerraum liegt und nicht durch Absperrungen abgetrennt ist
- Eine „Security“, die durch eine nette junge Dame am Eingang repräsentiert ist – und der ich nicht zutraue, sich mit einem betrunkenen Stänkerer auseinanderzusetzen
- Die Verpflichtung gegenüber dem restlichen Publikum eine gute Show zu liefern
- Ein renitenter Gast, der sich nicht mit guten Worten davon abhalten lässt, das Konzert zu stören.
Glücklicherweise wurde der Störenfried dann von seiner sichtlich unzufriedenen, peinlich berührten Frau abgeführt abgeholt, so dass das Konzert unbeeinträchtigt weitergehen konnte. Wäre er jedoch geblieben, hätte ich eine Lösung finden müssen. Normalerweise mache ich das ungefähr wie folgt, bei Misserfolg eines Versuches jeweils eine Stufe höher schaltend:
- Den Gast freundlich um Kooperation bitten
- Den Gast vor Publikum / über das Mikrofon um Kooperation bitten
- Die Security (wenn vorhanden) um Hilfe bitten
- Den Veranstalter um Hilfe bitten
- Dem Publikum erklären, dass ich erst weiterspiele, wenn die Störung beseitigt ist
- Wenn das alles fehlschlägt: Die Bühne verlassen und nach Hause gehen.
Man verstehe mich nicht falsch – ich erwarte kein mucksmäuschenstilles Publikum bei einem Kneipenkonzert und mit den ewig gackernden Mädchen ohne jedes Interesse an der Musik habe ich mich auch abgefunden. Wenn allerdings jemand ganz bewusst meine Arbeit stört und sich auch durch gutes Zureden nicht davon abbringen lässt, werde ich sehr unzufrieden. Ich werde fürs Musikmachen bezahlt, nicht dafür, mein Equipment und meine Gesundheit gegen betrunkene Zuschauer zu schützen. Diese Aussage höre ich immer wieder auch von Kollegen, deshalb frage ich mich und Euch:
Wie geht Ihr mit solchen Zuhörern um? Für einen Solokünstler ist es sowieso schwieriger, sich durchzusetzen, weil man im Notfall nicht die helfenden Hände der anderen Bandmitglieder rufen kann, aber habt Ihr dazu eine Meinung? Auch eine Stellungname durch Veranstalter würde mich hier interessieren, denn es ist nur äußerst selten einmal vorgekommen, dass sich ein Veranstalter oder sein Personal in so einer Situation auf meine Seite gestellt hätte, um mich zu schützen.
Und schreibt am besten Eure Top – Erlebnisse mit Konzertbesuchern in die Kommentare, ich will auch mal was zu lachen haben!
https://www.youtube.com/watch?v=D7g3s44FZlY
Keith macht es vor! 🙂
Das ist schwierig. Wenn man zu aggressiv reagiert, bringt man das restliche Publikum gegen sich auf, weil man als arrogant oder eben aggressiv wahrgenommen wird. Wenn man zu viel „Späßken“ mit so Leuten macht, fühlen die sich unnötig ermuntert und noch motiviert. Ich unterschiede aber hier z.b zwischen Besoffenen und z.b. Leuten mit einer Behinderung. Wir hatten letztens einen, der schrie vor Begeisterung so ein bisschen atonal mit. Wir konnten „lauter“ daher war das nicht das Problem und ich hab ihn dann noch „ansoliert“, meinte aber auch er hätte eine zumindest geistige Behinderung. Ansonsten genau wie du geschrieben hast: Pause, mit den Leuten reden, ihnen schildern, dass ihre Art „teilzuhaben“ leider stört und sie bitten es einfach zu lassen. Bisher ist es nie eskaliert, auch wenn die Leute teilweise etwas eingeschnappt reagieren, aber das kann einem egal sein. Eigentlich erwarte ich eigentlich aber auch vom Veranstalter/Wirt, dass er bisschen ein Auge mit drauf hat, was da abgeht und sich notfalls die Leute zur Brust nimmt.
Ja, da hast Du recht. Die Schwierigkeit ist, auf dem schmalen Grat zwischen Freundlichkeit und Bestimmtheit zu wandeln. Früher habe ich ja eher zur Gewalt tendiert: http://www.wilderpilger.de/arschlocherschiessen/
Heute bin ich erwachsener, ruhiger und möchte ungern im Knast enden 🙂
Hallo zusammen, leider habe ich erst heute mitbekommen dass unser Florian leider die unangenehme Freude hatte, einen bereits bekannten Gast in Treuchtlingen wieder einmal zu treffen und noch genauer kennen zu lernen. Um den Gast den es sich hier handelt, ein stadtbekannter, eigentlich netter Mensch, der auch noch Pädagoge und Vorbild ist, bzw sein sollte, ist mir wohl bekannt. Ich werde ihm das Problem ausführlich schildern und ihm klarmachen, dass es so nicht geht. Die letzte Konsequenz wäre Ihn dieser Veranstaltung zu verweisen. Leider war es mir an dem Abend aber nicht möglich selbst vor Ort einzugreifen, da ich selbst mit meiner Band spielte. Wir haben bei dieser Veranstaltung bewusst auf martialische Security in jeder Location verzichtet, da es bei uns immer ohne größere Probleme von statten ging und wir bei uns in der Regel auf eine sehr gut situiertes Publikum verlassen können. Ich hoffe dies wird auch weiterhin so möglich sein und mir tut es wirklich sehr, sehr leid für Florian, dass ausgerechnet er hier wieder in eine sehr dümmliches Situation geraten ist und vielen Dank dafür, dass du es gentlemanlike und ohne größere Aktionen beenden hast können. Ich hoffe du bist auch nächstes Jahr wieder für uns bereit zu spielen und ich werde mich bemühen Ähnliches sich nicht wiederholen zu lassen. Ansonsten kann ich nur ein absolut positives Resümee über diese Veranstaltung ziehen, wir hatten wirklich keine Zwischenfälle oder polizeiliche Übergriffe zu verzeichnen und das macht uns sehr stolz. Es gibt leider nicht mehr viele Veranstaltungen die so reibungslos von statten gehen, Ausnahmen bestätigen hier wohl die Regel.
Vielen Dank und herzliche Grüße euer Holm.
Hi Holger,
Der obige Artikel ist natürlich keine Kritik an Eurer Organisation. Die Veranstaltung lief bisher immer reibungslos und der Vorwurf geht allein an Euren stadtbekannten Querulanten. Ich bin mir auch sicher, dass ein Hilfeersuchen an benachbarte Security das Problem schnell gelöst hätte!